Es ist wieder Hochsaison für den Bau von Sandburgen. Irgendwie muss es in unseren Genen stecken, dass Wasser und Sand an allen Stränden der Welt zum Auftürmen dieser flüchtigen Bauten animieren.
Sogar Physiker interessieren sich für Sandburgen, auch wenn sie diese lieber als "feuchte Granulate" bezeichnen. Eine Facharbeit über "Röntgentomografie an feuchten Granulaten" klingt schließlich viel wissenschaftlicher als der Titel "Was Sandburgen im Inneren zusammenhält". Doch genau dies haben Physiker mit hochauflösender Röntgentomografie erforscht.
Jedes Kind weiß, dass man Sand und Wasser miteinander mischen muss, wenn man Sandburgen bauen will. Glücklicherweise hat es die Natur so eingerichtet, dass man dazu nicht mit Waage und Messbecher am Strand hantieren muss. Der Sandburgbau funktioniert nämlich nicht nur bei einem ganz bestimmten Mischungsverhältnis von Wasser und Sand. Vielmehr darf der Wasseranteil zwischen einem und zehn Prozent liegen, ohne dass sich dadurch die Stabilität der Sandburg ändert. Darüber denkt man ja nicht nach, wenn man fröhlich am Strand werkelt, doch eigentlich ist es doch schon verblüffend, dass die Festigkeit von Sandburgen in einem so weiten Bereich unabhängig von der Wasserkonzentration ist. Doch das lässt sich erklären – mit dem Röntgenblick in das Innere der Burg.
Zunächst einmal offenbart die Tomografie, dass in der Strandburg Sandkörner, Wasser und Luft nebeneinander existieren. Und das ist für die Stabilität auch wichtig. Das Wasser bildet winzige Brücken zwischen den Sandkörnchen aus, und zwar an den Stellen, an denen sich die Körnchen ohnehin berühren, oder fast berühren. Sand ist nämlich wasserliebend – sonst würde ja das Ganze ohnehin nicht funktionieren –, und deshalb möchte das Wasser in der Burg möglichst viel Kontakt mit der Sandoberfläche haben. Die Tomografien zeigen, dass sich ein hochkomplexes Netzwerk aus Wasserbrücken innerhalb der Sandburg ausbildet. Doch das meiste Volumen zwischen den Sandkörnern bleibt einfach mit Luft gefüllt. Mischt man nun den Sand mit etwas mehr Wasser, so nimmt das Netzwerk aus den Wasserbrücken zwar eine andere Gestalt an, und die Brücken werden etwas dicker. Doch damit ändert sich nichts Grundsätzliches. Der größte Teil der Zwischenräume bleibt mit Luft gefüllt und die Stabilität unverändert. Erst wenn der Sand zu nass wird, beginnen die Sandkörnchen im Wasser gleichsam zu schwimmen. Die Burg rutscht in sich zusammen.
Diese Effekte studieren Physiker gleichwohl nicht nur zum Spaß. Schließlich spielen die gleichen Gesetzmäßigkeiten unter anderem auch bei Erdrutschen eine Rolle. Da kann es tatsächlich um die Rettung von Menschenleben gehen, wenn sich aus der Beschaffenheit eines Hangs rechtzeitig ableiten lässt, ob ein gefährlicher Erdrutsch droht. In der Industrie wiederum werden viele Rohstoffe als "feuchte Granulate" verarbeitet. Deren Fließverhalten möchte man gern verstehen.
Zurück zur Sandburg: Wissenschaftler haben berechnet, wie hoch man diese Bauwerke aus Sand maximal auftürmen kann, bevor ihr Eigengewicht die Wasserbrückenbindungen zerstört. Es sind immerhin stolze fünf Meter. Das dürfte für alle Hobby-Burgenbauer absolut ausreichend sein.